Brühler Musentempel feiert 125. Geburtstag

Passend zum 125. Geburtstag der Villa Meixner traten der SWR-Moderator Martin Seidler und der bekannte Pianist Peter Grabinger mit einem romantischen Erich-Kästner-Abend auf, der auf viel Beifall in der voll besetzten Villa Meixner stieß. Der Geburtstag des bekannten Humoristen, Schriftstellers und Drehbuchautors jährte sich ebenfalls zum 125. Mal. Und die beiden Künstler fügten scherzhaft an, dass sie beide in diesem Jahr zusammen ebenfalls 125 Jahre alt seien. Zuvor trug der Hausherr, Bürgermeister Dr. Ralf Göck, in dem herrlichen Jugendstilgarten „unserer Villa“, Denkanstöße und Wissenswertes rund um den Brühler Musentempel vor.
Der gut besuchte Jubiläumsempfang fand im Garten der Villa Meixner statt. // Bild: Lenhardt
„Dass ein Gebäude 125 Jahre alt ist und die Substanz hat, weitere 125 Jahre hier am Ortseingang die Menschen in Brühl zu begrüßen, die vielleicht gerade von Schwetzingen und seinem Schlossgarten herkommen, das ist an sich schon erstaunlich. Betrachtet man die Halbwertszeit aktueller Gebäude, die derzeit an einigen Stellen nach 50 Jahren abgerissen werden, sind 125 Jahre schon außergewöhnlich. 50 Jahre alte Brücken sind marode, moderne Schulgebäude aus den 1970ern, wie die Schimper Realschule in Schwetzingen, werden abgerissen. Glückwunsch Villa Meixner für deine Standhaftigkeit“, leitete Göck ein. Im Jahre 1898 habe der damalige Geschäftsführer der Speyerer Ziegelwerke, Albert Eder, der ein Werk auf dem Messplatz hier gegenüber betrieb und gerade zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt worden war, den Schwetzinger Architekten Ludwig Jahn beauftragt, ein repräsentatives Wohnhaus für ihn und seine Familie zu errichten. Es sollte etwas Modernes werden und die Vielfalt der Ziegel-Verwendung aufzeigen. Deswegen griff der Architekt Elemente des damals neuen Jugendstils auf. Der Torbogen um das Portal und das Erkerfenster im Saal sind Highlights für alle Besucher bis heute. Erstaunlich ist die schnelle Bauzeit: Von der Planung bis zum Einzug verging gerade mal ein gutes Jahr und das Ergebnis kann sich sehen lassen: „Heute braucht man für einfache Wohnhäuser schon drei bis fünf Jahre“, so Göck.
Die Villa Meixner mit ihrem Jugendstil-Charme steht seit 125 Jahren und ist seit fast 40 Jahren ein Kulturzentrum der Hufeisengemeinde. // Bild: Lenhardt
Weil Albert Eder nach seiner Entlassung bei den Ziegelwerken fast mittellos war, musste er das schmucke Haus verkaufen. Die Brühler Ziegeleibesitzer Meixner kauften die Villa mit dem großen Hof und Garten und wohnten dort bis zum Zweiten Weltkrieg. Nach der Beschlagnahmung durch die Amerikaner wollten Meixners nicht mehr zurückkehren und verkauften das in die Jahre gekommene Wohnhaus 1956 an die Gemeinde, die zunächst Einfachst-Wohnungen daraus machte. 1982 wurde die Jugendstilvilla erstmals von Gemeinderäten besichtigt und Gemeinderat Robert Ganz riet dem damaligen neuen Bürgermeister Reffert, daraus etwas zu machen. Wohnungswirtschaftlich war das Haus nicht zu nutzen. Kaum später wurde auch der Denkmalschutz auf das Gebäude aufmerksam und noch ein paar Jahre später beschloss dann auch der Gemeinderat, das Haus von Grund auf zu sanieren. Ein Beschluss, der umstritten war und heute unvorstellbar erscheint, wo die Gemeinde kaum das Geld hat, um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Umstritten vor allem auch deshalb, weil man gar nicht genau wusste, was aus dem Haus einmal werden solle, abgesehen von den beabsichtigten kleineren Feiern des Gemeinderats. Schon der erste Kulturchef Brühls, Uwe Donath, gab die Maxime aus, dass das Haus von vielen genutzt werden sollte. So überließ man das erste Obergeschoss komplett dem Brühler Sammler von Jugendstil-Figuren, Ehrhard Reissenweber, der viele Gäste nach Brühl brachte. Ausstellungen und Kleinkunstveranstaltungen fanden nur im Saal statt.
Seit 1991 setzte der langjährige Kulturchef Lothar Ertl das Konzept weiter engagiert um. Zusammen mit seinem kongenialen Hausmeister Ulrich Baar organisierte Ertl im Inneren regional bedeutsame Kunst- und Fotoausstellungen, Musik- und Kleinkunstveranstaltungen, Vorträge und Lesungen. 1998 ließ dann Bürgermeister Göck das Haus für standesamtliche Trauungen öffnen, was vorher nur Prominenten zugestanden worden war. Lothar Ertl baute ein Netz von Künstlern und Kunsthandwerkern auf, gründete auch einen Kulturfreundeskreis, der hier im Hof bei lauschigen karibischen Nächten, bei gut besuchten Herbst- und Weihnachtsmärkten bis heute mithilft.
Bürgermeister Dr. Ralf Göck dankte den seit vielen Jahren aktiven Lothar Ertl, Jochen Ungerer und Ulrich Baar (v.l.n.r.) // Bild: Lenhardt
Sein Nachfolger Jochen Ungerer übernahm vieles und entwickelt es behutsam weiter, nimmt neue Veranstaltungen auf. Und mit Katja Rheude steht ihm seit Kurzem eine weitere Veranstaltungsorganisatorin zur Seite. Neben eigenen Veranstaltungen wie der Jazz-Matinée machen inzwischen auch Vereine bei den Veranstaltungen mit. Seit die Festhalle 2011 in neuem Glanz erstrahlt, finden publikumsattraktive Veranstaltungen eher dort statt, denn der Saal der Villa Meixner fasst nur 80 Personen.
Peter Grabinger und Martin Seidler gaben ihr Hör-Buch nach Erich Kästners Gedichtzyklus „Die 13 Monate“ zum Besten. // Bild: Lenhardt
„Wir Brühler sind stolz auf dieses Kleinod. Seine Atmosphäre verzaubert“, so der Bürgermeister, was ihm später die Künstler Szymannsky, Feimer und Seidler bestätigten. Und wie zur Bekräftigung gestalteten Martin Seidler und Peter Grabinger einen wunderbaren Abend vor 80 Gästen im Saal der Villa Meixner, die bei dem einfühlsamen Klavierspiel Grabingers und den gut hör- und verstehbaren Worten Seidlers in Kästners „Die 13 Monate“ schwelgen durften.