Brühl und seine Luftschiffe

Luftschiff Schütte-Lanz, Mannheim
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Luftschiff Schütte-Lanz, Mannheim

Der Verein für Heimat- und Brauchtumspflege erzählt... Man schreibt das Jahr 1909. Im April dieses Jahres beschlossen der Fabrikant Karl Lanz aus Mannheim und der Schiffbau-Professor Johann Schütte aus Danzig, kurz gesagt, Luftschiffe zu bauen - auf Brühler Gemarkung. Karl Lanz, der von seinem Vater Heinrich die Landmaschinenfabrik geerbt hatte, war bereit, die Kosten für den Bau der Luftschiffhalle zu tragen, nachdem Johann Schütte den Entwurf für ein Luftschiff "Typ Schütte" vorgelegt und sich bereit erklärt hatte, die technische Verantwortung für die Durchführung des Baues zu übernehmen.

Nur unter großen Schwierigkeiten und später als geplant, konnte man die erste Luftschiffhalle mit ihren erforderlichen Nebenräumen fertigstellen. Und da, so stellten die Verantwortlichen der Firma fest, "auf eine große Entfernung von der Montage-Halle keine Wirtschaft vorhanden ist, stellte man den Antrag, auf dem Luftschiffgelände in Brühl eine Kantine als Schankwirtschaft mit Branntweinausschank zu betreiben, die sowohl für die außerordentlichen Bedienungsmannschaften bei Luftschiffprobeflügen dienen, als auch einen Ausschank für das außerhalb des Geländes verkehrende Publikum haben soll." An das "Gasthaus zum Luftschiff", das heute ein amerikanisches "Spezialitäten-Restaurant" ist, könne sich noch viele alte Brühler erinnern.

Im September 1909 begann man mit der Montage des hölzernen Gerippes des geplanten Luftschiffs und es sollte noch zweieinhalb Jahre dauern bis das Luftschiff "Typ Schütte" soweit fertiggestellt war, dass der erste Aufstieg des SL 1, wie es später bezeichnet wurde, erfolgen konnte.

Luftschiff SL 1 beim "Verholen"

Schon kurz nach Baubeginn drangen Gerüchte über konstruktive Mängel in die Öffentlichkeit und haben wohl ein wenig am Image der Firma gekratzt. Um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde Ende Dezember 1909 eine große Besichtigung der Werft für Betriebsangehörige und Presse arrangiert. Und am 30. April 1910 veranstaltete man sogar eine "Taufe" des im Bau befindlichen Luftschiffs, über die die regionale und überregionale Presse ausführlich berichtete. In der Abendausgabe des Mannheimer Generalanzeiger vom 30. April 1910 war über die "Taufe" u.a. folgendes zu lesen: "Wehende Fahnen schmückten heute den imposanten Bau der Lanzschen Luftschiffwerft. Ihr Gruß galt dem Landesherrn, der seine Teilnahme an der Taufe des Luftkreuzers angesagt hatte. Der Großherzog kam von Zwingenberg im Automobil... Nachdem der Großherzog auf das dekorierte Baugerüst unter der Spitze des Luftschiffs geleitet worden war, hielt Dr. Karl Lanz eine Taufrede, die von dem Glauben, dass dies der Weg des technischen Fortschritts sei, der in eine bessere und schönere Zukunft führt. Voll ernster Spannung, aber auch voll freudigem Vertrauen stehen wir vor einem neuen gewaltigen Werke schöpferischer Menschenkraft, dazu bestimmt, an der Lösung eines der größten Probleme der Gegenwart mitzuwirken... Wohl sind wir uns alle bewusst, auf der Riesenbahn der Eroberung der Luft mit diesem Luftschiff vielleicht nur einen kleinen Schritt vorwärts getan zu haben, aber uns alle beseelt stolzes Vertrauen und die Hoffnung, mit dem Willen und der Tat auch den Erfolg abwarten zu dürfen..."

Etwa anderthalb Jahre nach der Taufe, die Nerven aller Beteiligten waren während dieser Zeit auf eine harte Probe gestellt worden, war es dann soweit: Am 17. Oktober 1911 erfolgte der erste Aufstieg des Luftschiffs, der leider nicht so glatt verlief, wie es geplant war. Rheinau - Waldsee und zurück stand zwar auf dem "Fahrplan", doch die Fahrt endete nach 50 Minuten mit einer unbeabsichtigten Landung auf der anderen Rheinseite. Am nächsten Tag ging es ohne Probleme zurück zum "Brühler Hafen".

Das Luftschiff SL 1 hat bis zu seiner Ablieferung an das Reich insgesamt 53 Testfahrten unternommen, von denen einige bemerkenswert sind. So z.B. der erste Rundflug über Mannheim am 01.11.1911 und die Fahrt vom 13.04.1912, die mit einem Unfall endete. Eine unerwartete Böe drückte das Luftschiff hinter Brühl so plötzlich nach unten, dass es zu einem Aufprall kam. Sieben Besatzungsmitglieder wurden aus der Gondel geschleudert, wobei sich ein Luftschiffer leicht verletzte. Das "erleichterte" Fahrzeug schoss mit dem Rest der Besatzung wieder in die Höhe und trieb manövrierunfähig über dem Rhein. Bei Altrip ging es schließlich nieder und man konnte es an Bäumen verankern. Schuld an diesem Unfall, so hieß es, war die Steuereinrichtung, die für die neuen, stärkeren Motoren zu klein war.

Am 14.07.1912 fand die erste Fernfahrt mit Ansteuern eines fremden Ziels statt. Nach fünfeinhalb Stunden landete die SL 1 auf dem Militär-Luftschiffhafen Köln ohne Probleme.

Nach einer Fernfahrt über Nacht von Brühl nach Berlin, die über 16 Stunden dauerte, wurde die SL 1 am 30.12.1912 von der Heeresverwaltung des Königlichen Preußischen Kriegsministeriums übernommen. Aber dem Luftschiff SL 1 war keine lange Lebensdauer beschieden. Im Juli 1913 musste es wegen technischen Defekts notlanden. Bei aufkommendem Wind kippten die lose angebrachten Gondeln um, der Ballast entleerte sich, das erleichterte Luftschiff fing an zu steigen, riss den Anker und einen Mann der Haltemannschaft mit in die Höhe. Dieser Mann war das erste Opfer eines SL-Schiffes. Das Luftschiff selbst zerschellte, als es einige Kilometer entfernt in einem Wald niederging.